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Zoologie

Schmetterlinge: Pollensammeln per „Traktorstrahl“

Elektrostatische Anziehungskräfte erleichtern den Bestäubern ihre Arbeit

Schmetterling
Schmetterlingen wie diesem Tagpfauenauge hilft ihre statische Elektrizität beim Pollensammeln. © Sam England

Trickreiche Insekten: Wenn Schmetterlinge und Motten nah genug über Blüten hinwegfliegen, ziehen sie dabei automatisch deren Pollenkörner an, wie Biologen herausgefunden haben. Demnach sorgen elektrostatische Anziehungskräfte dafür, dass der Pollen wie durch einen Traktorstrahl aus der Blüte auf den Körper des Bestäubers gesogen wird. Künftig könnte sich diese Superkraft auch landwirtschaftlich nutzen lassen.

Viele von uns haben als Kind wahrscheinlich schon einmal einen Luftballon über den Kopf gerieben, um dann zu bewundern, wie die eigenen Haare auf einmal zu Berge stehen und von dem Ballon angezogen werden. Physikalisch verändert das Gummi durch die Reibung die Verteilung der Elektronen, sodass der Ballon negativ und die Haare positiv geladen sind. Und da sich gegensätzliche Ladungen anziehen, streben die Haare zum Ballon.

Geladene Tiere

Mit solchen elektrostatischen Anziehungskräften lässt sich aber längst nicht nur herumalbern. Tatsächlich setzen einige Tiere sie sogar gezielt ein. So lassen sich etwa Zecken mithilfe von statischer Elektrizität über mehrere Zentimeter hinweg auf ihren Wirt katapultieren. Und Bienen, die sich über ihren Flügelschlag elektrisch aufladen, nutzen diesen Umstand wahrscheinlich, um damit Pollenkörner aus Blüten anzuziehen.

Sam England und Daniel Robert von der University of Bristol haben nun erstmals auch die elektrostatischen Talente von Schmetterlingen und Motten erforscht. Bislang war zum Beispiel unklar, ob die flatternden Bestäuber sich überhaupt elektrisch aufladen können, denn ihr Flügelschlag ist im Vergleich zu dem von Bienen und Hummeln deutlich langsamer und erzeugt deshalb womöglich nicht ausreichend Reibung mit der Luft.

Schmetterlinge Ladungen
Alle Arten wiesen unterschiedliche Ladungen auf. © England et al./ Journal of The Royal Society Interface, 2024 /CC-by 4.0

Auch Schmetterlinge sind elektrostatisch

Doch wie Ladungsmessungen an 269 Schmetterlingen und Motten aus elf verschiedenen Arten und von fünf Kontinenten zeigten, können diese Insekten sehr wohl mit Biene und Co. mithalten. „Bei allen elf getesteten Arten trug jedes Individuum eine elektrostatische Nettoladung ungleich Null, wobei zwischen den Arten Unterschiede in der Ladungsverteilung erkennbar waren“, berichten England und Robert. So brachte es zum Beispiel das auch in Deutschland heimische Tagpfauenauge (Aglais io) auf eine durchschnittliche Nettoladung von 54,53 Pikocoulomb.

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Tropische und nachtaktive Schmetterlinge wiederum wiesen in der Regel deutlich geringere oder sogar negative Ladungen auf. Wie die Biologen erklären, könnte das daran liegen, dass eine hohe positive Ladung vermehrt Räuber mit Elektrosinn auf die Bestäuber aufmerksam machen würde. Und sowohl nachtaktive als auch tropische Falter leben ohnehin gefährlicher als ihre tagaktiven und in den gemäßigten Breiten heimischen Verwandten.

Pollen landen kontaktlos am Körper

Doch wenn eine hohe positive Ladung riskant für Schmetterlinge und Motten sein kann, wieso setzen einige Arten dann so sehr darauf? England und Robert vermuten, dass sie den Bestäubern dabei hilft, die elektrischen Felder in der Umgebung von Blüten wahrzunehmen und so auf einen Blick zu erkennen, ob sich ein Besuch lohnt oder ob sich vor kurzem schon jemand anderes an dem nahrhaften Nektar gütlich getan hat.

Gleichzeitig macht ihre statische Elektrizität die Falter auch zu besseren Bestäubern. Wie Computersimulationen mit Tagpfauenaugen ergeben haben, erzeugen Schmetterlinge ein elektrisches Feld von über fünf Kilovolt pro Meter, wenn sie sich einer Blüte nähern. Das wiederum reicht, um negativ geladene Pollenkörner über Millimeter hinweg aus der Blüte auf den Körper der Falter zu katapultieren. So übertragen diese auf ihrer täglichen Suche nach Nektar automatisch Pollen von Blüte zu Blüte, und müssen diese dabei nicht einmal berühren.

Damit erfüllen Schmetterlinge nicht nur wichtige Funktionen für blühende Ökosysteme, sondern tun sich auch selbst etwas Gutes, wie England und Robert berichten. Schließlich sorgen die Bestäuber so dafür, dass es immer genug Nachschub von ihrer Lieblingsnahrung gibt.

Praktischer Nutzen auch für uns

Nach Ansicht der Forscher verändern die neuen Erkenntnisse nicht nur unser Verständnis von evolutionär relevanten Eigenschaften im Insektenreich, sondern eröffnen auch praktische Anwendungen. Indem wir die elektrostatische Aufladung von Bestäubern oder Pollen künstlich erhöhen, könnten wir die Bestäubungsrate zum Beispiel in der Landwirtschaft, aber auch in natürlichen Ökosystemen mit Bestäubermangel verbessern – so zumindest die Idee der Biologen. (Journal of The Royal Society Interface, 2024; doi: 10.1098/rsif.2024.0156

Quelle: University of Bristol

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